Der Fliegenpilz ist wohl der am meisten negativ behaftete Pilz. Medienberichte und Warnungen implizieren eine tödliche Wirkung.  Der Fliegenpilz ist jedoch kaum giftig. Tatsächlich gibt es lt. Dr. phil. Christian Rätsch (2007, S. 639) keinen einzigen bestätigten Todesfall durch das „Gift“ des Fliegenpilzes.

Dieser Pilz ist vielleicht das älteste Halluzinogen in der Menschheitsgeschichte, er wurde und wird in vielen Kulturkreisen, wie in Sibirien, im Nord-Eurasischen Raum, im Kelto-Germanischen Raum bei den dort Ansässigen Druiden, im präkolumbianischen Amerika und sogar im traditionellen japanischen Schamanismus, für die schamanische Arbeit verwendet.

Die Anwendungsformen sind vielfältig und reichen von der Ursachenfindung von Krankheiten, Kontaktaufnahme mit den Ahnen bis hin zum Blick in die Zukunft. Auch wird der Pilz bei Stammesfesten verwendet und dient dabei zur Berauschung.

Wirkstoffe:

Der frische Pilz beinhaltet die folgenden Wirkstoffe:
Acetylcholin, Cholin, Muscarin, Muscaridin, Muscazon, Selen, Vanadium und Ibotensäure
Im getrockneten Pilz wird die Ibotensäure in Muscimol umgewandelt.  Das Muscimol ist für den Magen ( Körper ) wesentlich besser zu vertragen und ist auch in seiner psychoaktiven Wirkung viel stärker.       Es ist der Agonist (Aktivierer) des endogenen Neutrotransmitters (Botenstoff) Gama-Aminobuttersäure (GABA), welche eine starke psychoaktive Wirkung hat.

Rolle in der schamanischen Arbeit:

Wie schon im Eingangstext angedeutet spielt der Fliegenpilz eine wichtige Rolle bei der schamanischen Arbeit. Beim Verzehr des Amanita muscaria soll eine Verbindung mit dem Geist des Pilzes, dem Tengu oder Deva, hergestellt werden. Dieser Geist hilft bei der Verbindung des Schamanen mit der sogenannten Unterwelt. Von dort aus kann ein gut ausgebildeter Schamane seine Ahnen kontaktieren, die Ihn bei verschiedenen Angelegenheiten des Stammes beraten.

Der Pilz wird zum herbeiführen von außergewöhnlichen, divinatorischen (seherischen) Bewusstseins-zuständen eingesetzt. Dabei begibt sich der Schamane in die „Anderswelt“. Diese Reise in die Anderswelt beginnt an einem realen oder (meist) imaginären Eingang, wie eine Felshöhle, ein Mauseloch, eine Erdspalte oder einem Teich u.ä.Der Schamane konzentriert sich darauf, diesen Eingang zu durchschreiten. Gelingt dies, so betritt zunächst einmal einen Tunnel durch den er in eine Art Höhle gelangt, in der sich eine unterirdische Landschaft mit seltsamen Tieren, Pflanzen auch Gebäuden befindet. Diese Welt scheint bekannt und doch auch wieder nicht. Dort ist es u.a. auch völlig „normal“ dass Tiere und Pflanzen kommunizieren oder auch Ihre Gestalt ändern können. In dieser Welt würde sich ein schamanisch unausgebildeter Mensch völlig verlieren, deshalb ist es wichtig, eine Reise in die Anderswelt und in Gegenwart eines erfahrenen Schamanen oder Reisebegleiters  zu unternehmen. Der Schamane verlässt diese andere Welt, indem er sich dort auf einen Berggipfel, eine Baumkrone oder in den Rauch eines Feuers begibt.

Naturgeister

Um die Arbeit eines Schamanen zu verstehen, muss auf die Weltanschauung der Naturvölker eingegangen werden. Die Naturvölker verstehen sich als Teil der Natur, während wir westlichen Menschen uns eher als Beherrscher der Natur sehen wollen, was ein großer Irrtum ist.
Für die Naturvölker ist die Existenz der Naturgeister selbstverständlich, sie sehen sie in Bäumen, in Pflanzen, in Tieren und in Steinen. Für Sie ist es selbstverständlich, dass die Natur und die Dinge, die sie hervorbringt eine eigene Seele haben. Die Naturgeister sind aber nicht die Seele, sondern eigenständige, feinstoffliche Wesen, die das Gleichgewicht der Natur aufrecht erhalten.
Für die Naturvölker sind diese Wesen allgegenwärtig und sie leben im Einklang mit Ihnen. Für viele Menschen in der westlichen Welt ist dies schwer zu verstehen, jedoch leben wir nicht mehr so nah an der Natur, wir sehen die Natur als Gegner, den es zu bezwingen gilt, anstatt uns als Teil von Ihr zu begreifen. Jedoch können auch wir in Kontakt mit den Naturgeistern aufnehmen, wenn wir uns still in einen Wald, an einen See oder an einen anderen Platz in der Natur begeben und lernen unseren Geist zu öffnen. Dies ist allerdings ein langer Prozess, der mit der Einnahme von Amanita jedoch initiiert werden kann. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass diese Wesen existieren, auch wenn wir sie nicht (mehr) wahrnehmen können, um die Arbeit der Schamanen begreifen zu können.
Laut der Aborigines sind die Geister nicht verschwunden. Sie warten in den Steinen, Pflanzen und Tieren darauf, dass wir Menschen sie entdecken.
In der Mythologie der nordischen und sibirischen Schamanen entstammt der Pilz aus dem Speichel des höchsten Gottes und wird bis heute als heiliges Wesen verehrt.

Medizinische Verwendung

Der Fliegenpilz wurde bis ins 19. Jahrhundert unter dem Namen Fungus Muscarins zur Behandlung von Epilepsie und auch bei Fieber (selten) eingesetzt. Heute wird er jedoch nicht mehr im schulmedizinischen Bereich verwendet. In der Homöopathie sind Amanita-Zubereitungen noch zu finden. Sie werden als beruhigendes Mittel bei innerer Unruhe, Depressionen, Parkinson, Kopfschmerzen, Blasenentzündung, Tinnitus u. ä. eingesetzt.

In der schamanischen Medizin wird durch den Kontakt mit dem Geist Tengu, die Krankheitsursache gesucht und behandelt.
Auch in der sibirischen Volksmedizin hilft ein Kaltwasserauszug aus Fliegenpilz, äußerlich angewendet, bei der Behandlung von Schlangenbissen.

Zeremonie

Wie schon in den anderen Texten verdeutlicht geht es bei der Einnahme von Amanita nicht um eine drogeninitierte Flucht vor der Realität, sondern vielmehr um das Erreichen eines anderen Bewusstseinszustandes um den Kontakt mit Deva, dem Geist des Pilzes.
Ist diese Verbindung erst einmal hergestellt, ist es wichtig sich vom Geist führen zu lassen, also das „Geschehen lassen“ von allem was kommt. Dann entsteht das, was für die zu behandelnde Person hilfreich ist zur Lösung Ihres gesundheitlichen Zustandes, oder Ihres Problems.
Bei der Zeremonie setzen Schamanen nicht nur Trommeln und andere Rhythmusgeräte, sondern auch Bewegung, Duft, andere Töne und rituellen Tanz ein um die Seele des zu behandelnden zu kontaktieren.
Die Teilnehmer bzw. die zu Behandelnden reagieren unterschiedlich auf die Zeremonie. Oft ist zu beobachten, dass der Betroffene seinen Körper nicht still halten kann und er zu tanzen beginnt. Dieser Tanz ist sehr häufig der Ausdruck der seelischen Bedürfnisse, durch die Bewegung werden aufgestaute Emotionen „nicht geweinte Tränen“, „unterdrückte Bedürfnisse“ „nie gesagte Worte“ gelöst und der Mensch wird von Ihnen befreit.

Wirkung von Amanita Muscarina:

Die Wirkung setzt ungefähr nach einer Stunde ein. Meist verspürt der zu Behandelnde nach dem Verzehr eine einsetzende Übelkeit. Mit einsetzen der Wirkung beginnen visuelle, akustische aber auch sensorische „Halluzinationen“. Geräusche werden klarer gehört und auch der Tastsinn kann empfindlicher reagieren als sonst. Manchen Menschen ist die halluzinogene Wirkung nicht bewusst und sie wollen dem ganzen Entfliehen. Es tritt dadurch eine erhöhte körperliche Aktivität auf, die auch mit Übelkeit und Erbrechen einher gehen kann. Außerdem kann es geschehen, dass der Betroffene von einem plötzlichen Schlafbedürfnis übermannt wird. Zudem kann es zu einem Wechsel zwischen Schlaf- und Wachzustand kommen. Andere Personen verspüren aber keine Übelkeit. Begleitet wird dieser Rauschzustand meist von erhöhtem Schweiß- und Speichelfluss.

Weitere Wirkungen sind: Visionen und Halluzina-tionen, die auch mehrere Stunden anhalten können. Betroffene berichten auch, von einer einzigartigen Klarheit in den Gedanken. Nach dem Abklingen der Übelkeit tritt meist ein tiefer, von starken Träumen begleiteter Schlaf ein.
Christian Rätsch berichtet in einem Selbstversuch dass ihn der Konsum von Amanita Muscaria mehr an Opium erinnert als an Pilze der Gattung Psilocybe

„Ich hatte das Gefühl, dass ich das erste Mal im Leben vernünftig und verstandesmäßig denke, das war also ungefähr das Gegenteil von dem, was man sich unter Rauschmitteln vorstellt. (…) Dann war da noch eine ganz merkwürdige Flugvorstellung, nicht in dem Sinne, dass man physisch durch den Raum fliegt, sondern durch die Zeit. Man kann gegen die Zeit fliegen, man landet irgendwo in etwas, das man später als Ursprung erklärt, dann geht man zurück und erlebt die Zeit umgekehrt.“

DOSIERUNG

Ab etwa 5 Gramm des Trockenmaterials
Nach ungefähr 30 Minuten wird eine intensivierte Wahrnehmung verspürt, zusätzlich zu einem angenehmen Wärme- und Schwindelgefühl. Anschließend kommt es häufig zu einem tranceartigen Halbschlaf einhergehend mit sehr realen Klarträumen. Des Weiteren kommt es häufig zu einer deutlichen Verbesserung der auditiven Wahrnehmung. Geräusche aus weiter Entfernung werden so wahrgenommen, als ob sie direkt aus dem Umfeld des Betroffenen kommen. Auf der körperlichen Ebene wird oft eine leichte Trägheit empfunden, das Bedürfnis sich zu bewegen, wird stark vermindert. Es kann, eher seltener, aber auch zu einem gegenteiligen Effekt kommen und der Betroffene verspürt einen erhöhten Bewegungsdrang und verspürt Lust zu tanzen. Die leichte Dosierung des Fliegenpilzes wirkt außerdem appetitanregend. Es empfiehlt sich mit dem Essen zu warten, bis der Rauschzustand abklingt, denn dann wird Essen zu einem Hochgenuss.

Ab etwa 8 Gramm des Trockenmaterials
Eine deutliche Intensivierung der optischen und akustischen Wahrnehmung ist ab dieser Menge spürbar. Auch mündet die körperliche Trägheit viel häufiger in einen Halbschlaf der mit Klarträumen einhergeht. Dabei kommt es oft zu Flugvorstellungen durch Raum und Zeit, die auch Tage später noch intensiv präsent sein können. Der Mensch fühlt sich jedoch absolut friedlich und ist innerlich ausgeglichen.

Ab etwa 13 Gramm des Trockenmaterials
Bei dieser Dosierung kommt es nicht mehr zu einem Halbschlaf, sondern der zu Behandelnde gleitet hinüber in einen tiefen, narkoseähnlichen Schlaf einhergehend mit starken Schwindelgefühlen. Dieser Schlaf wird oft durch Wachphasen unterbrochen, in denen Bewusstsein und Denkvermögen absolut klar sind, es jedoch zu starken visuellen und auditiven Halluzinationen kommt. In diesen werden Veränderungen des eigenen sowie  auch von anderen Körpern ( Sachen ) wahrgenommen. Es können sich Größe und Form spontan verändern und auch Entfernungen werden ganz anders eingeschätzt. Was weit entfernt lag, liegt plötzlich in direkter Reichweite oder Gegenstände aus der Nähe erscheinen auf einmal unglaublich weit weg.
Die ganze Umwelt erscheint bunt und erfüllt von Leben, die Umgebung scheint zu atmen. Lichtstrahlen oder -fäden sind allgegenwärtig und scheinen auch aus dem Inneren des Betroffenen zu kommen. Im Idealfall identifiziert sich der Betroffene als natürlichen Bestandteil dieser bunten, sehr lebendigen Welt und fühlt sich mit allem verbunden.
Eine hohe Dosierung wird im positiven, aber auch im negativen Sinne häufig als überwältigend empfunden, auch deshalb ist es wichtig, diese Zeremonie mit einem erfahrenen Schamanen oder Reisebegleiter durchzuführen.

Wirkdauer

Je nach Höhe der Dosierung liegt die Wirkdauer zwischen 4 Stunden und 12 Stunden. Je höher die eingenommene Menge, desto länger ist die berauschende Wirkung.